Das Sams im Jungen Theater Bonn

Dezember 21, 2017 von Diana Scheffen - Keine Kommentare

Im Interview: Frau Rotkohl (Katharina Felschen)

Katharina Felschen spielt Theater, seit sie sechs Jahre alt ist. In der Musical-Version von „Das Sams – eine Woche voller Samstage“ spielt sie unter anderem die Vermieterin von Herrn Taschenbier, Frau Rotkohl. Argwöhnisch beobachtet Frau Rotkohl – vom Sams auch gerne Grünkohl oder Rosenkohl genannt – ihren Mieter. Sie ist nie um eine Ausrede verlegen, um unangekündigt in sein Zimmer hereinzuplatzen. Energisch kommandiert sie den schüchternen Junggesellen herum und wirbelt in den unmöglichsten Situationen mit ihrem Putzlappen durch seine Wohnung. Erst als das Sams in sein Leben tritt, findet Herr Taschenbier endlich den Mut, ihr auch mal Paroli zu bieten und seine Privatsphäre einzufordern. Schließlich wünscht Herr Taschenbier sich sogar vom Sams, dass Frau Rotkohl oben auf einem Schrank sitzen soll und auch mit einem Eisbären muss sie auf seinen Wunsch hin tanzen. Später setzt Herr Taschenbier einen blauen Wunschpunkt ein, damit sie immer das Gegenteil von dem sagen muss, was sie meint. Wutentbrannt zetert sie nun – aber aus ihrem Mund kommen nur die nettesten Worte.

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Frau Rotkohl auf dem Schrank. Foto: Rolf Franke, ActorsPhotography

Bei dem Tanz mit dem Eisbären – und nicht nur dabei – kommt Katharina Felschen ihre Tanzerfahrung zugute. Ursprünglich wollte sie Balletttänzerin werden. Sie trainierte manchmal fünfmal die Woche bis zu fünf Stunden am Tag. Auch wenn aus diesem Traum nichts wurde, kann sie heute ihr tänzerisches Talent bei vielen Stücken einsetzen. Beim Lernen der umfangreichen Texte hilft es ihr, wenn Worte mit Bewegungen verknüpft sind. Katharina Felschen gehört seit der Spielzeit 2011/12 zum festen Schauspielensemble des Jungen Theaters Bonn.

Pünktchen und Anton

Bei der Aufführung von “Pünktchen und Anton”. Foto: Rolf Franke, ActorsPhotography

Katharina, wie bist du zur Schauspielerei gekommen? Ab wann wusstest du, dass du Schauspielerin am Theater werden möchtest?

Das war recht spät, erst nach dem Abitur, als ich zufällig eine Hospitanz-Stelle bei den Städtischen Bühnen Münster gefunden hatte und dort als Praktikantin und später auch Regieassistentin mitbekam, dass Schauspiel am Theater ein ganz normaler Job ist. Ich habe dort aber auch erfahren, wie hart der Job ist, wie wenig Geld er bringt, und dass er nichts mit Ruhm zu tun hat, sondern mit sehr viel Arbeit, starken Nerven, großer Konkurrenz, Herzblut und aufgeschlagenen Knien. Den Wunsch hatte ich aber schon viele Jahre zuvor, da ich jahrelang in der Theater-AG war.

Nach meiner Zeit in Münster habe ich in Bayreuth meinen Bachelor in „Theater und Medien“ gemacht. Da habe ich schon neben dem Studium sehr viel Theater gespielt. Anschließend habe ich eine Schauspielausbildung am Europäischen Theaterinstitut Berlin absolviert.

Gab es einen Punkt in deinem Leben, an dem du deine Entscheidung, Schauspielerin zu werden, in Frage gestellt hast?

Ja, oft, wie die meisten Menschen ihre Berufsentscheidung manchmal in Frage stellen, aber ich weiß, dass ich es noch viel mehr bereut hätte, nicht Schauspielerin geworden zu sein. Aber manchmal sehnt man sich schon nach einem freien Wochenende, geregelten Arbeitszeiten und der Möglichkeit, bei Krankheit zuhause bleiben zu können.

Hast du eine Lieblingsrolle?

Aktuell? Findus und Frau Rotkohl. Insgesamt aus meinen bisherigen Stücken? Fräulein Andacht, Die Königin von Narnia und Luise Miller. Als Wunschtraum? Lady Milford aus „Kabale und Liebe“, Cathy aus „The Last Five Years“ und natürlich Sally Bowles in „Cabaret“.

Katharina Felschen als Findus in “Pettersson und Findus”. Foto: Rolf Franke, ActorsPhotography

Was macht für dich eine gute Schauspielerin aus?

Die Fähigkeit, sich auf eine Rolle einzulassen, Einfallsreichtum, Konzentration, Durchlässigkeit, ganz wichtig: zuhören zu können und auf den Spielpartner immer wieder neu einzugehen, denn keine Vorstellung ist gleich. Ganz viel Bauch, aber auch ein bisschen Kopf. Angstfreiheit, keine Scheu, sich zum Deppen zu machen.

Außerdem noch Bescheidenheit, denn es geht auf der Bühne nicht um dich, sondern um deine Rolle.

Hast du besondere Strategien, um Text zu lernen?

Mir fällt Textlernen relativ leicht, aber auch bei mir reicht es nicht, das Textbuch unter das Kopfkissen zu legen. Ich lese den Text sehr oft, auch laut. Man muss ja eigentlich auch den Text der anderen mitlernen, sonst kennt man zwar seine Sätze, weiß aber nicht, wann man sie spricht. Sobald mal probt, wird es leichter, dann sind die Sätze im Gehirn auch mit Bewegungen verknüpft. Deshalb vergesse ich auch in Liedern mit Tänzen nie den Text, habe bei Liedern ohne Bewegung aber manchmal Angst vor einem Blackout.

Was macht man, wenn man sich verspricht? Ganz einfach: eiskalt weitersprechen und so tun, als ob nichts gewesen wäre. In den meisten Fällen bekommt es dann niemand im Publikum mit oder manche sind nur kurz irritiert, haben aber gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken, ob das Gehörte gerade Sinn ergab, weil es ja bereits weiter geht. Das musste ich auch erst einmal lernen, als Anfängerin bin ich tausend Tode gestorben. Das Schlimmste, was man da tun kann, ist, sich zu verbessern (es sei denn, es muss wirklich sein).

Wie bereitest du dich auf eine Rolle vor?

Unterschiedlich. Oft lese ich das Buch, auf dem das Stück basiert. Manchmal forsche ich sogar inhaltlich ein bisschen nach, z. B. für „Supergute Tage“ über Asperger. Aber in den meisten Fällen beschäftige ich mich einfach mit der Textfassung, schaue mir an, wie meine Figur redet, was sie erlebt, ob sie zum Schluss eine andere ist als am Anfang. Meist habe ich schon eine erste Idee, wie die Figur sein könnte, wenn ich zur Probe komme, aber da muss man offen bleiben und viel ausprobieren und auch Vorschläge des Regisseurs annehmen und ausprobieren, die einem erst einmal völlig unlogisch oder unorganisch vorkommen. Das ist noch eine Schwachstelle von mir; es fällt mir manchmal schwer, etwas auszuprobieren, was völlig gegen meine Intuition geht. Es ist aber wichtig, auch mal „falsche“ Wege zu gehen, um über Umwege zum Ziel zu kommen. Dafür hat man jedoch nicht immer Zeit.

Was war dein schönster Moment beim Theater?

Es gibt so viele schöne Momente, wenn sich das Publikum so in die Geschichte einsaugen lässt und mitfiebert und alles miterlebt, statt sich nur als passiver Konsument zu empfinden. In „Pünktchen und Anton“ gab es eine Szene, in der Fräulein Andacht erkennt, dass ihr Verlobter, Robert der Teufel, sie nur ausnutzt und nicht liebt, aber sie hilft ihm trotzdem bei einem Verbrechen, weil sie ihn so liebt und Angst hat vor der Einsamkeit und nicht glaubt, jemand Besseres verdient zu haben. Das alles habe ich in einem Lied mit mir verhandelt, und am Ende des Liedes kam einmal ein leises spontanes „Nein, tu‘s nicht …“ aus dem Publikum. Oder manchmal ist danach erst einmal Stille, und dann bricht der Applaus los. Das ist schon toll.

Was waren deine größten Erfolge bzw. worauf bist du besonders stolz?

Ich habe mich sehr über die Auszeichnung als „Beste Schauspielerin“ beim 2880 Filmfestival dieses Jahr gefreut, aber da ich bei der Preisverleihung nicht anwesend sein konnte, sondern gerade eine Vorstellung in Bonn hatte, kam mir das alles etwas surreal vor.

Was ist überhaupt „Erfolg“? Ich finde, dass einige Stücke, in denen ich gespielt habe, unglaublich toll waren. Aber haben sie mir „Erfolg“ gebracht? Ich bin zufrieden und vielleicht sogar stolz gewesen auf meine Nebenklägerin in „Terror“, weil sie mich bei jeder Vorstellung wieder viel gekostet hat, und auf meinen Tanz als Trauervogel in „Mio mein Mio“, aber auch auf die insgesamt großartige Produktion „Pünktchen und Anton“ und natürlich auf die CD von „Pettersson und Findus“, die wir im Studio aufgenommen haben. Aber unter Umständen war mein größter Erfolg auch schon damals in Bayreuth mit „Kabale und Liebe“, oder als ich mit 15 Jahren den Bundespreis des Zentrums für Politische Bildung mit meinem vielleicht größenwahnsinnigen Friedensplan für Nordirland gewonnen habe.

Würdest du sagen, dass dein Leben als Schauspielerin auch Einfluss auf dein Privatleben, auf deinen Alltag hat?

Es macht schon einen Unterschied, auch auf das Privatleben, ob man gerade ein Stück wie „Terror“ spielt und die eigene Rolle ihren Ehemann bei dem Flugzeugabschuss verloren hat und das eineinhalb Monate lang jeden Abend aufs Neue erzählt und in gewisser Weise auch durchlebt, oder ob man ein fröhliches Stück spielt.

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Katharina Felschen als Nebenklägerin in “Terror”. Foto: Contra-Kreis-Theater, Bonn.

Direkt nach „Terror“ kam für mich dann am Jungen Theater „Pippi Langstrumpf“ – und auch wenn Annika nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsrollen zählt, tat es mir gut, wieder über die Bühne zu toben, zu singen und zu lachen. Ein wenig nimmt man immer von einer Vorstellung nach Hause – je nach Stück gute Laune, Angespanntheit oder sogar Trauer. Nach „Supergute Tage“ und „Nichts, was im Leben wichtig ist“ kam ich jedes Mal mit Kopfschmerzen nach Hause, weil ich so viele lange Monologe hatte und meine Rollen sehr konzentriert und wach und präzise waren. Trotzdem habe ich Stücke wie „Terror“, „Supergute Tage“ und „Nichts“ geliebt, weil sie mich so gefordert haben. Mein Freund tanzt nach solchen Vorstellungen erst mal albern mit mir durch die Wohnung, bis ich wieder lache.

Hast du schon mal ein Angebot abgelehnt?

Ja. Die Produktionsfirma, die auch „Die Trovatos“ macht, hatte mich für ein anderes Format angefragt. Das habe ich abgelehnt.

Würdest du denn zum Fernsehen gehen, wenn du eine interessante Rolle angeboten bekommen würdest?

Vor zehn Jahren hätte ich noch ganz klar gesagt: NEIN! Heute hätte ich schon Lust dazu. Es wäre eine neue Herausforderung und eine Abwechslung zum Theater. Und gibt meist mehr Geld. Aber ganz auf das Theater verzichten, um nur noch Fernsehen zu machen? Das kann ich mir nicht vorstellen.

Du bist auch Bonnerin und dies hier ist ein Bonn-Blog, daher einige Bonn-Fragen:

Was war dein erster Eindruck von Bonn?

Ich war zum Vorsprechen am Jungen Theater Bonn eingeladen und bis dahin war ich noch nie in Bonn gewesen. Ich kannte Bonn lediglich aus den Nachrichten, aus der Zeit, in der Bonn noch Hauptstadt war. Als ich dann mit der Straßenbahn über die Kennedybrücke nach Beuel fuhr, glitzerte der Rhein im Sonnenlicht und ich erinnere mich, dass ich in diesem Moment dachte: Was für eine schöne Stadt! In Beuel angekommen fragte ich eine Mutter mit einem etwa achtjährigen Kind nach dem Weg zum Jungen Theater. Bevor die Mutter antworten konnte, sprudelte das Kind nebst einer genauen Wegbeschreibung begeistert hervor: Da war ich gestern noch!

Was schätzt du an Bonn? Welcher ist dein Lieblingsort in Bonn, wo gehst du gerne hin? Was unternimmst du gerne in Bonn und Umgebung?

Ich liebe den Rhein und die Brücken und das Naturschutzgebiet, Text lernen am Strand in Beuel, am Rheinufer zu laufen. Die Altstadt erinnert mich immer an „mein“ Kreuzkölln in Berlin. Die Innenstadt ist so schön verwinkelt und hat viele kleine Straßen und Geschäfte, anstelle eines großen Einkaufszentrums, das ist toll. Das Viktoriaviertel mit Blow Up und Café Kurzlebig war toll, aber gehört ja leider zur Vergangenheit. Aber Chapeau, liebe Bonner, dass ihr so gekämpft habt! Der Hofgarten ist toll, die schöne Südstadt und natürlich der Botanische Garten. Die vielen kleinen Kulturstätten, die Programmkinos, Kulturzentren wie die Brotfabrik, die zahlreichen Bühnen und freien Theater.

Ich bin gerne am Rhein, zum spazieren gehen, Steine fletschen, grillen, Freunde treffen, oder einfach für das Urlaubsgefühl, weil ich es so mag, wie sich die Sonne im Wasser spiegelt und die großen Schiffe vorbeiziehen. Ich gehe gerne in den Botanischen Garten, Kuchen essen im Black Veg oder Café Sahneweiß.

Vielen Dank, Katharina!

Wer mehr über Katharina wissen möchte:

katharinafelschen.com
www.bonn-vegan.de

Titelbild: Heidi Bordach.


20160613lichtemomente-1604Diana-Isabel Scheffen wurde in Bonn geboren, hat in Bonn studiert und arbeitet seit ihrem Studienabschluss in – richtig geraten – Bonn. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit verfasst sie Essays und Geschichten. Sie ist Mitautorin des Stadtführers “Endlich Bonn!”. Bei der 2. Auflage, erschienen im Februar 2016, war sie für die redaktionelle Überarbeitung und Aktualisierung zuständig. Im November 2017 ist ihr Buch “Das Lehrer-Kochbuch: … damit der Gang zur Tafel wieder Spaß macht”, das sie zusammen mit Andrea Tuschka geschrieben hat, erschienen.